Deshalb sollten Sie sich als IT Spezialist mit Linux auskennen
2022-07-07T12:51:00+02:00Es ist kostenfrei, weit verbreitet, vielseitig und wichtig: Linux. Hier erfahren Sie, warum Sie in die Welt des Betriebssystems eintauchen sollten - und wie Ihnen das gelingt.
Linux im Bewerbungsschreiben - das kommt gut an
Gefühlt läuft die Business-Welt auf Systemen mit Windows als Betriebssystem. Doch blickt man nur ein bisschen in die IT Welt, merkt man schnell: Das stimmt überhaupt nicht! In vielen Systemen kommt Linux oder eine Abwandlung davon zum Einsatz. Zum Beispiel läuft ein Großteil aller Server auf dem freien Operating System, dessen Maskottchen ein Pinguin ist. Zudem dient es als Basis von Android und läuft auf zahlreichen Smart-Home-Geräten.
Linux erfreut sich also extrem großer Beliebtheit. Das ist nur ein Grund von vielen, warum Sie sich damit beschäftigen sollten. Weitere Pro-Argumente liefert Maurice Knopp. In unserem Interview erklärt der Full Stack Developer und Spezialist für Cloud- und Big-Data-Technologien, wie Sie sich an die Linux-Welt herantasten und damit wichtige Kompetenzen für Ihren IT Job erlernen können. Skills, die Sie zum Beispiel in Ihrer nächsten Bewerbung einsetzen sollten, um sich einen kleinen “Wettbewerbsvorteil” zu ergattern.
Ratbacher: Sie empfehlen jedem IT’ler, sich mit Linux zu beschäftigen, auch wenn er nicht als Linux-Experte arbeiten möchte. Warum?
Maurice Knopp: Man kann sich das Linux-Ökosystem wie wie eine riesige Kiste mit Lego-Steinen vorstellen. Vieles passt gut zusammen, lässt sich aber auch neu kombinieren, wenn man es möchte. So fällt der Innovationszyklus sehr kurz aus. Und neue Entwicklungen wie zum Beispiel eine Containerisierung setzen sich schnell durch.
Zugleich muss man sich jedoch mit den einzelnen Bausteinen beschäftigen, um diese anzupassen oder neu zusammen zu setzen. Dies steigert sehr schnell das Verständnis von Computertechnik im Allgemeinen, Software-Bibliotheken, Server-Dienste, Administration und vielem mehr.
Der Quellcode von Linux ist offen, also für jeden einsehbar. Ein weiterer Vorteil, oder?
Ja. Verwendet man eine Linux-Distribution auf seinem PC, lässt sich stets die “Motorhaube” öffnen. Damit können Sie ein System wie ein Maßanzug auf die eigenen Bedürfnisse zuschneiden.
Wenn Sie IT Lösungen konzipieren, hilft dieses Verständnis ungemein. Zudem sollte man sich bewusst werden, dass alle Cloud-Anbieter die eigenen Dienste überwiegend auf Linux-Maschinen bereitstellen.
Die Beschäftigung mit Linux ist also wichtig für das eigene Technologie-Verständnis sowie zur persönlichen Weiterbildung.
Es heißt, in Linux kommt häufig die Kommandozeile zum Einsatz. Bedeutet das, man muss ein Programmierer sein oder eine Programmier-Affinität haben, um das Betriebssystem richtig nutzen zu können?
Nein. Die Kommandozeile müssen Sie nicht verwenden! Sie ist aber stets verfügbar und bietet eine extrem große Flexibilität, wenn man diese wünscht. Ähnlich sieht es bei Windows und Mac OS aus, wo es ja auch jeweils eine Kommandozeile gibt - diese aber kaum einer kennt.
Das heißt, Sie müssen auch bei Linux kein Programmierer sein, um es zu nutzen. Ein bisschen Spaß an der Automation von Aufgaben kann aber nicht schaden. Zum Beispiel, wenn sie alle Urlaubsbilder aufhellen, eine regelmäßige Datensicherung oder das Protokollieren der Raumtemperatur automatisieren möchten.
Die Linux-Kommandozeile gehört damit eher in die Kategorie “nice to have”?
Bei der Verwendung der Kommandozeile gilt das gleiche Prinzip wie beim Schach: Man versteht sehr schnell die wichtigsten Grundsätze und Funktionsweisen. Doch Sie können sich noch jahrelang damit beschäftigen, um immer besser zu werden und ausgefallene Tricks dazu lernen. A minute to learn, a lifetime to master.
Welche Hard- und Soft-Skills sind gefragt, wenn man sich zum ersten Mal an Linux wagt?
Da Sie die Linux-Distributionen einfach und kostenfrei aus dem Internet herunterladen können, reicht ein grundlegendes Interesse im Bereich Computertechnik aus. Dies stellt ja die niedrigste Voraussetzung für jeden IT Job dar.
Zudem sollten Sie neugierig und offen für kreative Lösungen sein. Viele Menschen sind in den letzten Jahren über den Raspberry Pi mit dem Linux-Betriebssystem in Kontakt gekommen. Bedingt durch den günstigen Preis wird der kleinen “Bastelrechner” vielfach zur Bewässerungssteuerung, für Lichtschranken und Home-Automation-Anwendungen verwendet. Da der Minicomputer, bedingt durch seine Energieeffizienz, nur wenige Hardware-Ressourcen anbietet, stellt eine angepasste Linux-Distribution das optimale Betriebssystem dar.
Es gibt ja nicht das Linux, sondern viele Distributionen. Welche empfehlen Sie für den Einstieg?
Für Linux-Neulinge empfehlen sich Distributionen mit grafischer Oberfläche, die den etablierten Betriebssystemen - also Windows und Mac OS - recht ähnlich sehen und sich auch so verwenden lassen. Dazu gehören unter anderem Ubuntu und Linux Mint. Auch "alte Hasen" wie Debian, Fedora und openSUSE sind verhältnismäßig einsteigerfreundlich.
Welche Varianten eignen sich für Fortgeschrittene?
Versierte Linux-Kenner verwenden oft Arch Linux, Gentoo, Slackware oder bauen eine Standard-Distribution wie Debian, gemäß den eigenen Vorlieben um.
Welches Linux setzen Sie am liebsten ein?
Ich bin Linux-Nutzer seit 2001 und verwende für meine tägliche Arbeit hauptsächlich Linux Mint. Das ist extrem einfach zu bedienen, bequem, sicher und superschnell. Gerade die hohe Systemgeschwindigkeit war mir immer wichtig. Da Linux Mint auf Debian basiert, hat man eine erstklassige Software-Unterstützung.
Welche Linux-Distribution kommen aus Ihrer Sicht bei Unternehmen am meisten zum Einsatz?
Entwickler nutzen oft das Container-Werkzeug Docker, welches auf dem Linux-Kern aufsetzt und - ganz typisch - im Hintergrund arbeitet. Und mit dem Windows Subsystem for Linux (WSL), einem “Linux unter Windows", können Developer ihre geliebten Linux-Werkzeuge auch unter dem Microsoft-Betriebssystem nutzen.
Auf Servern wird gerne das kostenpflichtige Redhat Enterprise Linux oder dessen kostenfreier Ableger Fedora eingesetzt. Dies liegt daran, dass Business-Software oft für Redhat Linux zertifiziert wurde. Debian, Ubuntu oder kleine Linux-Distributionen, die nur als Container-Plattform dienen - etwa für einen Kubernetes-Cluster -, sind ebenfalls sehr verbreitet.
Linux findet sich in immer mehr Anwendungen, beispielsweise im Android-Betriebssystem und bei selbstfahrenden Autos. Wo sehen Sie noch Einsatzmöglichkeiten, die in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden?
Da Linux so wandelbar ist und vom Supercomputer bis hin zum Taschenrechner eingesetzt werden kann, ergeben sich viele, viele Einsatzmöglichkeiten. Da wäre zum Beispiel der Einsatz in Smart Home Devices wie Fernsehern, Streaming-Boxen, Lichtsteuerungen, Saugrobotern, Küchengeräten und Bluetooth-Lautsprechern. Dahinter steckt ein gigantischer Wachstumsmarkt.
Ebenso boomen Fitnesstracker, moderne Sportgeräte und E-Bikes. Und beim Internet of Things in der Industrie kommen zahlreiche Sensoren zum Einsatz, die ebenfalls auf einem Linux-OS laufen.
Die Marktanteile der sieben führenden Betriebssysteme auf Basis der Webzugriffe. Stand: Januar 2022, Quelle: NetMarketShare, Bild: Statista
Linux hat sich im privaten Endkundenbereich bislang nicht durchsetzen können. Woran liegt das?
Es gibt hierfür verschiedene Gründe. Die ersten Linux-Distributionen erschienen erst Mitte der 1990er-Jahre und traten somit eine Dekade nach dem DOS- und Windows-Betriebssystem ins Licht. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits sehr viel Software für die Microsoft-Plattformen.
Unfaire Praktiken seitens Microsoft, etwa dass PC-Hersteller erhebliche Rabatte gewährt bekamen, wenn ausschließlich Windows vorinstalliert wurde, bremsten die Verbreitung von Linux ebenfalls aus. Erst mit den Chromebooks, die in den USA verhältnismäßig populär sind, hat sich dies in den letzten Jahren geändert.
Wo und wie können sich Linux-Interessierte weiterbilden, um “am Puls der Zeit” zu bleiben?
Auf den üblichen IT-News-Webseiten wie heise.de oder golem.de sind Linux-Projekte fast täglich ein Thema. Die Webseite Phoronix.com testet moderne Hardware unter Linux und berichtet über viele Neuerungen in diesem Bereich. Einen Überblick über die Linux-Distributionen und deren Beliebtheit liefert distrowatch.com
Möchte man sich intensiv mit einem Thema beschäftigen und professionelle, strukturierte Inhalte ansehen, sind Udemy-Kurse meiner Meinung nach eine guten Möglichkeit, sich schnell und zielgerichtet weiter zu bilden. Und bei Youtube gibt es zig Videos zu speziellen Themen. Zum Beispiel, wie man seinen Blog auf einem eigenen Linux-Server betreibt oder wie man mit der Kommandozeile erste Scripte entwickelt.
Herr Knopp, vielen Dank für das aufschlussreiche Interview!
Bilder: Adobe Stock, Statista