Agiles arbeiten in der IT: Deshalb ist Agilität so wichtig

agiles Arbeiten in der IT

Agile Entwicklung, agiles Management, agiles Arbeiten: Agilität ist Trumpf, besonders wenn Sie in der Software-Entwicklung tätig sind. Und das ist auch gut so. Das steckt hinter dem Trendthema.

Was bedeutet agil?

Der Begriff stammt aus dem Lateinischen. Das Nomen “agilitas” heißt übersetzt unter anderem “Beweglichkeit” und “Schnelligkeit”.

Im direkten Wortsinn bedeutet das: Ein Unternehmen, das agil arbeitet, ist schnell und wendig. Eben kein großer Tanker, sondern ein Schnellboot. Ein flinkes Startup und kein behäbiger Großkonzern.

Doch das stellt nur eine Seite der Medaille dar. Wenn Unternehmen schnell reagieren, endet das gerne in Schnellschüssen, Planlosigkeit und Chaos. Das hat nichts mit echter Agilität zu tun!
 

Was Agilität besonders macht

Zu einer echten Agilität gehört mehr als die reine Anpassbarkeit an neue Herausforderungen. Zum einen gibt es da den Faktor Zeit: Unternehmen müssen schnell Ergebnisse liefern, wenn sich Marktsituationen verändern. Ebenso wichtig ist die Umsetzung von Kundenwünschen, welche heutzutage ständig variieren. Der Kunde sollte immer im Fokus stehen, ansonsten macht ein Strategiewechsel oder eine Produktänderung keinen Sinn.

Auch die kurze Taktung und die Kontinuität gehören zu einer agilen Arbeitsweise. Die Entwicklung einer Software oder eines digitalen Produktes ist heutzutage kein Projekt mehr, das einen festen Start und ein festes Ende kennt. Stattdessen geht es darum, kontinuierlich am Ball zu bleiben. Die Änderungen erfolgen nicht mit einem großen Paukenschlag, sondern inkrementell - also schrittweise und aufeinander aufbauend. Damit das funktioniert, benötigt ein Unternehmen ein neues Mindset, neue Teamstrukturen, neue Positionen und neue Qualifikationen. 

Zudem sollte hinter einem agilen Prozess das Ziel stecken, stets besser zu werden. Was “besser” ist, gibt der Markt und letztendlich der Kunde vor. Um seine Wünsche besser verstehen zu können, müssen Sie ständig am Ball bleiben, dazulernen, experimentieren, messen, analysieren und Schlussfolgerungen ziehen. Nur so ist es möglich, gezielt die Qualität zu verbessern.
 

Viele Denkweisen führen zur Agilität

Es wird gerne so getan, als sei Agilität etwas komplett Neues. Etwas, das erst seit ein paar Jahren entdeckt und entwickelt wurde, um Unternehmen besser zu machen. Das stimmt nicht.

Wenn Sie sich beispielsweise mit der agilen Softwareentwicklung beschäftigen, merken Sie schnell, dass sie auf bekannten Theorien, Modellen und Frameworks basiert. Und dass sich viele Modelle gegenseitig beeinflussen und bedingen. Die Grenzen dazwischen fallen fließend aus.

Zum Beispiel geht es bei der japanischen Kaizen-Philosophie darum, sich ständig zu verändern, um besser zu werden. Im Englischen ist das als Continuous Improvement oder CANI (Constant And Never Ending Improvement) bekannt. Aus dem Kaizen entstand unter anderem das TPS (Toyota Production System), das Lean Management und die Lean-Startup-Methode

Die agile Entwicklung basiert ebenso auf dem AGIL-Schema, auf Kanban, dem Design Thinking und dem Extreme Programming (XP). Nicht zu vergessen: die Entwicklung von MVPs, den kleinstmöglichen Produkten, über BML- (Build, Measure, Learn) oder PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act).

Sie merken: Es ist teilweise schwer, das eine vom anderen abzugrenzen, da die eine Methode oder Denkweise die andere beeinflusst und benötigt.
 

Agile Development = Scrum?

Wenn von agiler Entwicklung geredet wird, fällt schnell der Begriff Scrum. Scrum gleich Agilität, Agilität gleich Scrum - stimmt das? Ja und nein.

Es gibt Dutzende Methoden für die agile Softwareentwicklung, eine davon ist Scrum. Das “Gedränge” (so die englische Bedeutung) hat sich zu einer der beliebtesten und am weitesten agilen Entwicklungsmethoden gemausert. Deswegen schreiben Unternehmen Stellenangebote als Scrum Master und/oder Product Owner aus.

Scrum und viele andere agile Methoden haben gemeinsam, dass sie nach der iterativen Entwicklung vorgehen. Das bedeutet, Sie und Ihr Team entwickeln ein Produkt - zum Beispiel eine App oder eine Web-Anwendung - in kurzen aufeinanderfolgenden Schritten. In Scrum heißen diese Sprints und dauern in der Regel zwei bis vier Wochen. Ist ein Sprint vorbei, veröffentlichen Sie ein funktionales Produkt. Danach beginnt der Sprint-Prozess aus PDCA oder CML von vorne und wiederholt fortwährend.
 


Das bedeutet: Sie programmieren zum Beispiel nicht “in einem Rutsch” eine Software, die am Tag X als fertig gilt, sondern inkrementell. Von Sprint zu Sprint, von Monat zu Monat bekommt die Software neue Funktionen, wird schneller, besser, effizienter - und das stets entlang der Wünsche der Kunden.
 

Agilität ist die Antwort auf den Wettbewerbsdruck

Die Welt verändert sich - jeden Tag, unaufhaltsam. Das ist nichts Neues. Doch die Veränderungen geschehen so rasant wie noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Die Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung sorgen dafür, dass die Produktlebenszyklen immer kürzer und der Wettbewerb zunehmend größer wird. 

Unternehmen, die über viele Jahre oder Jahrzehnte solide aufgestellt waren, verlieren quasi von heute auf morgen den Boden unter den Füßen. Es erfolgen häufiger sogenannte Disruptionen. Bei diesen brechen etablierte Strukturen und Prozesse auf, verändern sich radikal oder fallen in sich zusammen.

Denken Sie beispielsweise an das Straucheln der Musikindustrie durch Anbieter wie iTunes und Spotify; das Massensterben der Videotheken durch Streaming-Anbieter wie Amazon Prime Video und Netflix; der Überlebenskampf des Einzelhandels gegen den E-Commerce. Die Kämpfe Analog versus Digital, Old Economy versus New Economy, nehmen immer größere Ausmaße an. Es stehen nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern ganze Branchen und Industrien unter Druck.

Damit sich Ihr Unternehmen diesen Herausforderungen stellen kann, muss es schnell reagieren können. Dauerhaft. Und dabei stets an den Kunden denken. Quelle, Kodak, Nokia, AOL oder Blackberry sind Beispiele dafür, wie einstige Giganten innerhalb weniger Jahre in der Bedeutungslosigkeit oder gar in der Pleite verschwinden können. Sie haben sich nicht schnell genug an die Marktveränderungen angepasst, verloren ihre Innovationskraft.

Wie Agilität in Ihr Unternehmen kommt

Die Basis hin zu einer agilen Struktur ist das Mindset. Allen Mitarbeitern muss klar sein, was hinter Agilität steckt und warum sie wichtig ist. Und wie man agil arbeitet. Dazu gehört das Abstreifen der alten, starren Denkweisen. Zum Beispiel, indem Sie sich an die Vorgaben des Agilen Manifests halten, bei dem unter anderem das Reagieren auf Veränderungen wichtiger als das Befolgen eines Plans ist.

Ebenso wichtig ist eine hohe Eigenverantwortung von allen Beteiligten. Klassische Strukturen mit einer starren Von-oben-nach-unten-Hierarchie müssen ersetzt werden. Trotzdem darf nicht alles zu frei und locker sein, das endet ansonsten wie beschrieben in der Planlosigkeit und im Chaos.
 


Zudem bedarf es neuer Positionen. Viele Unternehmen gehen nach Scrum vor, weswegen sie dann Rollen wie Scrum Master bzw. Agile Coach und Product Owner schaffen. Das kann man machen - muss man aber nicht.

Wichtig bei der Agilisierung ist, dass sie zu Ihrem Unternehmen und Ihren Geschäftskunden passt. Meist können Sie nicht von heute auf morgen einen radikalen Wandel vollziehen, das führt sonst zu neuen Problemen.

Eine Lösung könnte ein hybrides Modell sein, bei dem Sie beispielsweise das klassische Wasserfall-Modell des Projektmanagements mit einer agilen Vorgehensweise vermischen. Denn sind wir ehrlich: So schön eine agile Produktvision auch ist - sie lässt oft nur schwer mit den starren Budget-Vorgaben der Finanzabteilung vereinbaren.
 

Was bedeutet das für IT-Experten?

Wenn Sie in der IT arbeiten, wissen Sie schon immer: Nichts ist so beständig wie der stetige Wandel. Nicht umsonst heißt es, ein Jahr in der Informationstechnik sei wie fünf Jahre im normalen Leben. Das stimmt. Doch die an sich schon hohe Taktung nimmt jährlich zu. In manchen Bereichen erfolgt kein lineares, sondern exponentielles Wachstum.

Lernen, ein Leben lang - das gehört zu den Basics. Immer am Puls der Zeit bleiben, ständig fortbilden, stets das Beste geben und sich verändern: Kaizen ist Ihr Baustein. Darüber hinaus sollten Sie mindestens T-Shaped-Skills besitzen, besser wäre ein M- oder Comb-Shaped-Profil.

Bleiben Sie neugierig. Führen Sie Experimente durch. Werten Sie die Ergebnisse aus und ziehen Sie daraus Rückschlüsse für neue Fortschritte. Denken Sie immer an Ihre Kunden. Dabei kann es hilfreich sein, Methoden wie Jobs To Be Done (JTBD) anzuwenden.

Und verinnerlichen Sie die agilen Werte. Dazu gehört unter anderem ein kontinuierlicher Output und die Vereinfachung von Abläufen.
 

Fazit

Die Welt von heute ist VUKA: volatil, unsicher, komplex und ambivalent. Eine Antwort darauf ist Agile, die Fähigkeit zur schnellen, strukturierten Anpassungsfähigkeit.

Das bedeutet: Agilität ist keine Modeerscheinung, sondern eine Schlüsselkompetenz für die moderne Zeit - besonders in der IT! Agiles Management und Agile Development müssen richtig verankert und angewendet werden, damit sie funktionieren.

Abschließend eine passende Weisheit von George Catlett Marshall jun., dem Schöpfer des Marshall-Plans: “Kleine Taten, die man ausführt, sind besser als große, die man plant.”

Bilder: Adobe Stock, Andreas Diehl